Blog: Kein Kopenhagen für die Werbebranche

Die Klimakonferenz in Kopenhagen ist noch nicht zu Ende. Aus den Medien ist sie weitgehend verschwunden und vieles deutet darauf hin, dass sie zu einem Fiasko wird. Der Glaube, dass Konsum gut und mit Wohlstand gleichzusetzen ist, ist nach wie vor weit verbreitet. Die Werbung hat hier entschieden dazu beigetragen. Jetzt ist Handeln angebracht.

Ob Geiz nun geil ist oder nicht, ist unerheblich. Regelmässig wird selbst in den renommiertesten Blättern die Ansicht verbreitet, dass Konsum geil ist. Nur eine gute Konsumstimmung wird als positiv bewertet.

Wenn man daran glaubt, dass Werbung wirkt, muss man auch anerkennen, dass sie eine zentrale Funktion in der Steigerung und Beibehaltung des Konsums einnimmt. Doch gibt es heute kaum Produkte, die umweltfreundlich und nur wenige, die umweltneutral sind. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir unseren Arsch nur durch eine Verringerung des Konsums retten können. Es gibt keine ernstzunehmenden nationalen und übernationalen Gremien, die sich mit dem Einfluss der globalisierten und globalisierenden Werbeindustrie auf den Klimawandel befassen. Nirgends in der Branche hat jemand Visionen anzubieten, geschweige denn einen Weg, wie sich diese umsetzen liessen. Die Werbebranche fühlt sich mehr als andere Branchen vom Thema Nachhaltigkeit in keiner Weise berührt. Im Gegenteil: Sie propagiert den Konsum um des Konsums willen.

Wie sich das Problem der Mitverantwortung der Werbeindustrie am Klimadebakel lösen lässt, erschliesst sich mir nicht. Ich denke aber, folgende Massnahmen könnten einen Teil dazu beitragen:

Institutionelle Ebene

  • Gründung effektiver nationaler und internationaler Gremien, die die Werbeindustrie in ihrer Interdependenz mit allem anderen in der Welt betrachten. Solche Gremien müssen in der Lage sein, sich inhaltlich Respekt zu verschaffen, Best Practices zu definieren und in Härtefällen Massnahmen durchzusetzen. Die bestehenden Branchenverbände müssen sich endlich der gesellschaftlichen Bedeutung von Werbung annehmen.
  • Einführung von Ethik, Nachhaltigkeit und verwandten Themen als Pflichtfächer in allen Marketing-, Werbe- und Kommunikationslehrgängen.
  • Einführung einer Standesordnung für alle Marketing-, Werbe- und Kommunikationsfachleute, die verbindliche Werte vermittelt und sich bei groben Verstössen durch empfindliche Konventionalstrafen oder Ausschluss aus dem Berufsstand Nachdruck verschafft.

Agenturebene – Kunden

  • Ablehnung von Aufträgen, die klar umweltschädlichen Konsum propagieren. Verlangen Sie von Ihrem Auftraggeber die CO2-Bilanz des zu bewerbenden Produkts und des Benchmarks.
    Einführung eines Auftraggeberkodex, der diesen dazu verpflichtet, sozial und ökologisch nachhaltig zu wirtschaften.
  • Ehrlichkeit in der Information und Kommunikation. Wenn ein Unternehmen ein paar Ökoprojekte hat und gleichzeitig den Löwenanteil der Einnahmen durch fragwürdige Projekte und Produkte generiert, dann ist es nicht angebracht, für die paar Ökoprojekte die Trommel zu rühren und so dem Brand einen nachhaltigen Anstrich zu geben.
  • Zur Schadensminderung konsequent ökologisch bessere Papiere und Druckverfahren, CO2-Kompensation, FSC-Label usw. empfehlen (Achtung: Labels schützen vor denken nicht). Druckereien empfehlen, die in der Nähe des Kunden produzieren. Auflagenhöhen so nahe wie möglich am effektiven Bedarf festsetzen, auch wenn 1000 zusätzliche Exemplare nur einen Aufpreis von 10 Franken kosten.

Agenturebene – Intern

  • Verfassen eines verbindlichen und glaubwürdigen Nachhaltigkeitsleitbilds mit Incentives und Disincentives für die Mitarbeitenden.
  • Bestimmen eines Nachhaltigkeitsverantwortlichen, der Material- und Energieströme (v.a. Strom, Heizung, Papier/Kopien, Abfall, Wasser) protokolliert und Massnahmen zur Senkung vorschlägt.
  • Beiträge an den öffentlichen Verkehr und Fahrrad. Bei gleicher Qualifikation näher wohnenden Bewerber einstellen. Geschäftsreisen nur mit öffentlichem Verkehr und Mobility.
  • Das Übliche: Stromsparbirnen. Steckerleisten zum Ausschalten über Nacht. Nespresso und ähnliche Systeme durch Vollautomaten ersetzen. Nicht überheizen, sinnvoll lüften.

Hilfreiche Informationen (v.a. auf betrieblicher Ebene) gibts zuhauf im Netz. Ich empfehle ausserdem die zahlreichen Fallstudien auf der Website der Öbu, dem Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften.

Die Veränderungen, die nötig sind, um von der kindlichen, destruktiven Kapitalismusidee abzukommen, die immer noch verbreitet ist, habe ich hier nicht skizziert. Auch das grosse Thema der Kommunikationsökologie bleibt an dieser Stelle unberührt. Was jedoch feststeht: Wenn Werbung weiterhin Bestand haben will, muss sie aufhören, für desinteressierten Konsum zu werben und beginnen, sich für Lebenserhaltung und Lebensqualität stark zu machen. Das hat nichts, aber auch gar nichts, mit Love Marks und ähnlichem Humbug zu tun, sondern mit der Projizierung und Ermöglichung einer Lebensweise, die auf sozialer, ökologischer, intellektueller und – in letzter Instanz – wirtschaftlicher Nachhaltigkeit basiert.

Der Weg ist weit. Es ist an der Zeit, ihn zu beschreiten.

Literatur für die Feiertage

Marcel Hänggi: Wir Schwätzer im Treibhaus: Warum die Klimapolitik versagt. Rotpunktverlag, 2008.
André Gorz: Auswege aus dem Kapitalismus: Beiträge zur politischen Ökologie. Rotpunktverlag, 2009.
Michael Braungart & William McDonough: Einfach intelligent produzieren. Berliner Taschenbuch Verlag, 2005.