Gespräch: «Demokratie, Werbung und Gesellschaft: Aussenwerbung in Zürich»

Am 6. April 2010 hat im Clubraum der Roten Fabrik in Zürich erstmals ein öffentliches Gespräch über Aussenwerbung in Zürich stattgefunden. Das Gespräch wurde geführt zwischen Stefanie Kägi, Verfasserin der Masterarbeit «Der Werberaum der Stadt Zürich: Eine Analyse der Akteure, Regeln und Macht» (2009) und Christian Hänggi, Vorstandsmitglied IG Plakat | Raum | Gesellschaft. Im Publikum anwesend waren unter anderem Beat Holenstein, Geschäftsleitung APG, Christian Soppelsa, Leiter Akquisition Clear Channel,  und Hans Imesch, früherer Leiter des Stadtzürcher Amts für Reklameanlagen.

Akteure im öffentlichen Raum
Die wichtigsten Akteure sind APG, Clear Channel, einige kleinere Plakatgesellschaften und die Stadt Zürich. Der einzige zivilgesellschaftliche Akteur, der öffentlich auftritt, ist die IG Plakat | Raum | Gesellschaft. Stefanie Kägi bezeichnet die Stadt Zürich als mächtigster Akteur, da das Hochbaudepartement die Bewilligung für neue Plakatflächen verweigern kann. Die Stadt verdient allerdings nur etwas an den Plakaten, die auf öffentlichem Grund stehen. Sie hat keinerlei Einnahmen aus den rund 6000 Plakaten auf Privatgrund, die in den öffentlichen Raum strahlen und nur dank ihm ihre Werbewirkung entfalten können. Hier wäre gemäss Hans Imesch und Christian Hänggi eine Nutzungsgebühr zu prüfen. Die Unterscheidung zwischen öffentlichem Grund und Privatgrund ist weitgehend obsolet geworden und sollte einem neuen Begriff weichen, der dem Wahrnehmungsfeld der Passanten gerecht wird.

Städte ohne Aussenwerbung

Es gibt Städte, die keine Aussenwerbung zulassen. Gemäss Christian Hänggi ist oft einer von zwei Gründen dafür verantwortlich. Entweder die Stadtverwaltung gibt entnervt auf, weil sie dem Wildwuchs nicht gewachsen ist oder sich bei den privatwirtschaftlichen Akteuren nicht den nötigen Respekt verschaffen kann. Dies war der Fall in São Paulo und ähnliche Anzeichen sind in Genf zu beobachten. Anderseits, wie im Fall von Bergen (Norwegen), kann der Widerstand gegen die Privatisierung des öffentlichen Raums durch die internationalen Konzerne auch von unten kommen, beispielsweise aus einer politisch engagierten Künstlerszene. Auch der Schweizer Heimatschutz hat sich in den Gründerjahren den Kampf gegen die Plakatierung auf die Fahne geschrieben.

Ruf nach Transparenz, freiem Zugang, Kommunikation und Dialog
Für Stefanie Kägi ist in vier Bereichen Handlungsbedarf, wenn die Partizipation an der Gestaltung des öffentlichen Raums demokratischere Formen annehmen soll. Erstens muss das Geschäft mit dem öffentlichen Raum transparent und dem Öffentlichkeitsprinzip gerecht werden. Heute sind die Plakatverträge unter Verschluss und sowohl die Stadt als auch die marktwirtschaftlichen Akteure geizen mit Informationen. Zweitens muss ein besserer Zugang zu den Werbeflächen gewährleistet sein. Das ist heute teilweise gegeben mit Gratis-Plakatierung für kulturelle Anliegen. Alle anderen Plakatformate können aufgrund der finanziellen Hürden nur von grösseren Unternehmen gebucht werden, und die Wildplakatierung wird, wie Kyros Kikos vom Konzeptbüro der Roten Fabrik darauf hingewiesen hat, mit empfindlichen Bussen bestraft. Drittens muss das Medium Plakat nicht nur Informationen bereitstellen, sondern eine Kommunikationsmöglichkeit schaffen, also den Dialog über die Verwendung des öffentlichen Raums begünstigen. Stefanie Kägi denkt beispielsweise an weisse Flächen, die von allen beschrieben und bemalt werden können. Viertens sieht sie eine Notwendigkeit darin, dass alle Akteure, die Verwaltung, die Zivilgesellschaft und die Marktgesellschaft miteinander in einen Dialog treten. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde im gestrigen Gespräch gemacht.

Dass ein solcher fruchtbarer Dialog möglich ist, wird jedoch von allen Akteuren bezweifelt. Bernard Liechti, aktueller Leiter des Amts für Reklameanlagen, hat nicht am Gespräch teilgenommen, da es nicht seine Aufgabe sei, Politik zu betreiben. Beat Holenstein wirft der IG PRG vor, sie wolle grundsätzlich keine Plakatwerbung in Stadt und Kanton Zürich, was den Dialog verunmögliche. Christian Hänggi wiederum sagt, die Marktgesellschaft würde eine weitgehende Deregulierung und eine freie Marktwirtschaft anstreben, die auf Profitmaximierung aus ist und sich der Teilnahme durch die Zivilgesellschaft verweigert.

Im Anschluss ans Gespräch betont Christian Hänggi, dass er sich ein ähnliches Gespräch oder eine Podiumsdiskussion mit allen Akteuren – insbesondere auch jene der Stadt Zürich – wünscht, wenn die Neuausschreibung der Plakatverträge 2011 näher gerückt ist.