Blog: Das eine nicht lassen und das andere nicht zulassen

Während Rauchverbote sich weltweit durchsetzen und alle mir bekannten Länder Altersgrenzen kennen, darf immer noch in der Öffentlichkeit dafür geworben werden. Komisch eigentlich, denn was illegal ist, für das sollte man auch nicht werben dürfen.

In den letzten Wochen war ich in mehr Flughäfen, als gut ist für mein ökologisches Gewissen oder mein Freiheitsbedürfnis. Zürich, Madrid, São Paulo, Panama, Bogotá, Medellín. Mexico City folgt morgen.

Im Grossen und Ganzen gleichen sich die internationalen Flughäfen dieser Welt. Flughäfen sind Shopping-Center (in Oslo beispielsweise muss man circa zwei Minuten durch Duty-Free-Shops gehen, bis man zur Passkontrolle gelangt), voll von Werbung für Konsumgüter und Dienstleistungen im gehobenen Preissegment und weitgehend oder komplett rauchfrei. Vorbei die Zeiten, als man sich, wie ich vor elf Jahren in Quito beobachten konnte, in der Immigrationsschlange eine Zigarette anzündete.

Die Duty-Free-Läden sind ein blühendes Geschäft, so macht es jedenfalls den Anschein. Milliarden werden umgesetzt mit dem Verkauf von Raucherwaren, während die Flughäfen sich zu fein sind, um den Konsum dieser legal erstandenen Produkte zuzulassen. Der Verkauf und die Bewerbung von Zigaretten ist erlaubt – der Konsum nicht. Eine seltsame Situation.

Die Werbeverbände prangen seit Jahren den umgekehrten Mechanismus an. Sie sagen, es müsse erlaubt sein, ein Produkt zu bewerben, das legal zu kaufen und zu konsumieren ist – als ob die Frage der Legalität je etwas mit der Legitimität zu tun gehabt hätte. Wie immer, wenn ich mich über die Branchenverbände auslasse, ist hier eine Doppelmoral am Werk, deren Implikationen sie gütlich übersehen. Und diese Doppelmoral ist nicht nur in Flughäfen oder Bahnhöfen augenscheinlich, sondern auch im öffentlichen Raum.

Der Kauf und Konsum von Raucherwaren ist nicht einfach per se legal. Er ist illegal für alle, die unter 16 bzw. 18 Jahre alt sind. Wenn wir also der Devise folgen, dass Werbung für Produkte, die legal zu verkaufen und zu konsumieren sind, legal sein muss, dann folgt daraus, dass Tabak- und Alkoholwerbung im öffentlichen Raum verboten sein muss, da sich auch Kinder und Jugendliche im dort aufhalten.

Die Anti-Werbeverbot-Lobby (neuerdings: Pro-Werbe-Lobby) weiss auch, dass Tabakwerbung keine Tabakkonsumenten hervorbringt, sondern höchstens Marktanteile verschiebt oder festigt (je nach Quelle), wie jeder weiss, der beobachtet, wie oft Raucher ihre Hausmarke wechseln.

(In der Tat ist die erste Plakatwerbung, an die ich mich erinnere, vermutlich konnte ich gerade lesen, eine Zigarettenwerbung. Ich habe mich damals gefragt, weshalb diese Firma Werbung für Zigaretten macht und dann am unteren Rand schreibt, dass sie übrigens nicht gut für die Gesundheit seien. Seither habe ich Tausende von Franken für Zigaretten ausgegeben.)

In Flughäfen, Bahnhöfen und Restaurants ist der Fall komplexer, da der Verkauf, nicht aber der Konsum – aus Gründen der Sauberkeit und aus Rücksichtnahme auf die Mitmenschen – erlaubt ist. Dass der Verkauf und die Bewerbung von diesen illegalen Produkten nach wie vor erlaubt ist, kann nur an der unglaublichen Überzeugungskraft der gelebten Doppelmoral liegen und daran, dass irgendwer viel Geld mit der Promotion des Tabakkonsums verdient. Ungerechtfertigt eigentlich, da Werbung keine Konsumenten hervorbringt.

Deshalb: ab in die Sommerferien, liebe Werberinnen und -er! Und für mich eine Zigarette. Dieselbe Marke wie seit fünfzehn Jahren. Zollfrei.

Dieser Beitrag von Christian Hänggi erschien ursprünglich auf dem Blog des Werbe- und Kommunikationsbranchenportals persoenlich.com.