Blog: Affichage-Debakel: Ein Aktionär kommentiert

Am 26. Februar berichtete die Affichage, das Mutterhaus der APG und vieler anderer Aussenwerbungsunternehmen, dass sie eines der schwierigsten Jahre ihrer Geschichte hinter sich hat. Als Aktionär nehme ich mir das Recht auf einen Kommentar heraus.

Die Affichage schreibt: «Der Rückgang des Bruttoinlandprodukts in den Volkswirtschaften der Schweiz (–1,4 %) sowie unserer Auslandmärkte (bis zu –8,5 %) hat zu einer überproportionalen Reduktion der Werbeausgaben geführt. Im Geschäftsjahr 2009 haben sich unsere Verkaufserlöse im Heimmarkt um 18,3 % auf CHF 250.1 Mio. reduziert, im Ausland um 26,5 % auf CHF 89.9 Mio.»

Es ist absurd, dass ein Rückgang des BIP von 1,4 % (bzw. 8,5 %) an einer Reduktion der Verkaufserlöse von 18,3 % (bzw. 26,5 %) schuld sein soll. Es gibt genügend Unternehmen, die ihren Umsatz und ihren Gewinn stabil halten oder steigern konnten. Den Rückgang von 18,3 % bzw. 26,5 % kann man entweder der Übersättigung des Markts, der Misswirtschaft der Affichage oder der Werbewirtschaft zuschreiben, die nicht mehr in Werbung mit zweifelhaft belegter Werbewirkung investieren will.

Die Affichage schreibt: «Das [in Griechenland] ohne Übergangsfristen eingeführte, nationale Tabakwerbeverbot hat zu einem Umsatzausfall von nahezu 30 Prozent im vierten Quartal 2009 geführt, der kurzfristig nicht kompensiert werden konnte.» 30 % Umsatzausfall wegen Tabakwerbeverbot: Die Zahl zeigt, dass die Affichage ihre Augen vor dem offensichtlichen Klumpenrisiko Tabakwerbung verschlossen hat. Dass das Unternehmen nicht rechtzeitig die Akquisition anderer Werbekunden in Angriff genommen hat, zeugt nicht nur von unternehmerischer Fahrlässigkeit. Sollte Werbung wirken, muss Affichage die Mitverantwortung an den Tabakkonsum-bedingten Leiden der griechischen Bevölkerung in Kauf nehmen.

Die Verluste, die Affichage eingefahren hat, sind grösstenteils im Ausland entstanden. Dass Affichage überhaupt im Ausland präsent ist und dort den öffentlichen Raum in Anspruch nimmt, um für ihren eigenen Profit zu wirtschaften, ist einer demokratischen Nutzniessung des öffentlichen Raums durch die Lokalbevölkerung abträglich. Von jedem Franken Gewinn nach Abschreibungen, Steuern etc., den die Affichage in Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Griechenland, Zypern, Italien, Montenegro, Rumänien, Serbien, Ungarn oder der Schweiz schreibt, gehen

  • 30 Rappen an JCDecaux SA in Neuilly, Frankreich
  • 25 Rappen an die Investmentfirma Compagnie Nationale à Portefeuille in Belgien
  • 9.5 Rappen an die Investmentfirmen Arrow Capital Management und International Value Advisers in den USA
  • 6 Rappen an Béatrice und Paul-Henry Binz in Bulle.

Die verbleibenden 30 Rappen gehen vermutlich an Kleinaktionäre und VR- und GL-Mitglieder (ich verweise auf den Geschäftsbericht 2008 für Details). Da die Aktionäre dieses Jahr ohne Dividende ausgehen werden, muss ich dieses Jahr darauf verzichten, einen Betrag in der Höhe der Affichage-Dividende an die IG Plakat | Raum | Gesellschaft zu spenden (PC-Konto: 85-192174-9).

Als Aktionär fordere ich die Mitglieder der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrats der Affichage Holding zum Rücktritt auf – ohne Gratisaktien oder variable Lohnbestandteile. Die Generalversammlung fordere ich dazu auf, die neu zu bestellenden VR/GL zu beauftragen, alle Auslandaktivitäten lokalen Unternehmen zu verkaufen und die ausländischen Beteiligungen am Affichage-Aktienkapital auf unter 33 % zu reduzieren. Weiter sollen die Bilanzen und Erfolgsrechnungen der Tochterunternehmen im Geschäftsbericht offenlegt werden.

Die Ziele dieser Massnahmen sind eine kompetente Besetzung des VR und der GL, die Redimensionierung des Unternehmens, so dass es besser in der Lage ist, adäquat und verantwortlich auf die Bedürfnisse der Lokalbevölkerung einzugehen, eine demokratischere Verteilung des Gewinns aus dem öffentlichen Raum und mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit. (Ich werde nicht müde, an den scheinheiligen ersten Satz des Affichage-Leitbilds zu erinnern: «Transparenz und Glaubwürdigkeit gehören zu den wichtigsten Unternehmensgrundsätzen der Affichage Gruppe.»

Dieser Beitrag von Christian Hänggi erschien ursprünglich auf dem Blog des Werbe- und Kommunikationsbranchenportals persoenlich.com.