Gemeinderat überweist Postulat, Stadtrat bewilligt weiterhin Bildschirme, Genf wird nicht von Kommerzwerbung befreit

Viel ist seit Anfang März geschehen. Ein Update.

Die Genfer Stimmbevölkerung hat am 12. März knapp entschieden, dass sie kommerzielle Aussenwerbung nicht aus dem Stadtbild verbannen will. Das Bemerkenswerte: Trotz jahrzehntelanger Propaganda der Werbeindustrie haben über 48% der Bevölkerung genug von kommerzieller Werbung und wollen sogar darauf verzichten, wenn es weniger Einnahmen für die Stadtkasse gibt. Menschen mit niedrigem Einkommen haben eher für Zéro pub gestimmt, Menschen mit höherem eher dagegen. Wahrscheinlich wussten sie, dass am Ende immer die Konsumentinnen und Konsumenten die Werbung bezahlen, und das fällt bei niedrigeren Einkommen mehr ins Gewicht.

Die Enttäuschung bei den Initiantinnen und Initianten und bei der IG PRG ist gross. Einmal mehr haben die grossen nationalen und internationalen Konzerne gewonnen. Einmal mehr hat die Privatisierung des Gemeinguts gewonnen. Einmal mehr verlieren die Bürgerinnen, Konsumenten und KMUs. Was bleibt, ist ein wegweisender Bundesgerichtsentscheid, der unmissverständlich festhält, dass die Beschränkung von Aussenwerbung sowohl auf öffentlichem Grund als auch auf Privatgrund, der vom öffentlichen Grund aus einsehbar ist, kein unzulässiger Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit ist.

Am 7. September 2022 hat der Zürcher Gemeinderat das Postulat 2022/317 überwiesen. Dieses fordert vom Stadtrat, dass keine neuen digitalen Werbescreens oder Leuchtdrehsäulen mehr entstehen. Dessen ungeachtet hat das Amt für Baubewilligungen zwischen dem 5. September 2022 und dem 22. März 2023 weitere 21 Bildschirme bewilligt. Besonders perfide: Fünf Bildschirme wurden am 6. Dezember 2022 bewilligt, also am Tag bevor das Postulat 2022/352, das den Abbau der bestehenden Bildschirme forderte, erstmals traktandiert war.

Nach zweimaligem Verschieben wurde das Postulat 2022/3052 am 22. März 2023 vom Zürcher Gemeinderat angenommen! Der Stadtrat ist – gegen seinen Willen – aufgefordert darzulegen, wie die bestehenden Werbescreens und Leuchtdrehsäulen wieder abgebaut werden können. Ein grosses Dankeschön an die Initiantinnen und Initianten des Postulats!

Zum Postulat 2022/352 hat die IG PRG eine Informationsbroschüre herausgegeben und auf ausgewählten VBZ-Screens eine Kampagne geschaltet. Diese Informationsbroschüre ist das beste verfügbare Zahlenmaterial, auch wenn Stadtrat Odermatt und die Bürgerlichen im Gemeinderat dies in Abrede stellen – freilich ohne besseres Zahlenmaterial zu produzieren. Gerade der Stadtrat hätte es in der Hand, doch seit Jahren weigert er sich, Transparenz zu schaffen.

Lieber droht er mit rechtlichen Schritten, weil die IG PRG auf dem Cover der Informationsbroschüre seine – zugegebenermassen eher doofe – Stromsparkampagne persifliert hat (wir haben das Titelbild inzwischen geändert). Was wenig bekannt ist: Die Kampagne wurde in der Bevölkerung kaum wahrgenommen. Der Stadtrat hat dafür CHF 250 000 ohne öffentliche Ausschreibung ausgegeben. Davon gingen allein CHF 130 000 an die internationalen Konzerne APG|SGA und Clear Channel, um die Plakate im lokalen öffentlichen Raum aufzuhängen.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Werbekampagne, die die IG PRG auf Bildschirmen rund ums Ratshaus Hard geschaltet hat: Werbescreens sind nach wie vor auf grosse regionale und überregionale Kampagnen mit Buchungsfenstern von mindestens einer Woche ausgelegt. Und: Die von der Industrie ausgewiesenen Bruttoreichweiten (also: wie viele Menschen eine Werbung potenziell sehen) sind Fantasiezahlen.

Doch dazu später mehr. Erstmals wird der Erfolg im Kampf für eine schöne und farbige Stadt ohne die lebensfeindliche Monokultur der nationalen und internationalen Konzerne gefeiert!