Blog: Carlo Schmid-Sutter tritt ab. Kommt die Werbebranche jetzt endlich einen Schritt weiter?

Wie Persönlich berichtete, tritt Carlo Schmid-Sutter als Präsident des Verbands Schweizer Werbung SW zurück. Fast zeitgleich tritt er als amtsältestes Affichage-Verwaltungsratsmitglied zurück. Das Interview mit ihm zeigt, dass er in diesen zwölf Jahren vor allem eins gelernt hat: Die Augen vor den wirklichen Problemen zu verschliessen und immer und immer wieder auf dieselbe olle Wirtschaftpauke zu hauen.

Carlo Schmid-Sutter tritt zurück. Nachdem seine alten Kumpanen Piero Schäfer und Peter Leutenegger weitgehend von der Bildfläche verschwunden sind, könnte es sein, dass endlich der Altherren-Mief mit seinem naiven Neoliberalismus aus der Industriezeit überwunden wird. Nehmen wir einige Punkte aus dem Interview heraus.

Werbeverbote

Werbeverbote sind ein Luxusproblem weniger, fürs BIP weitgehend unbedeutender Konsumgüterzweige. Da sich niemand für sie interessiert – und die Werbewirkung bis heute umstritten ist –, bedurfte es in den vergangenen Jahren mindestens vierer Branchenverbände, um Werbeverbote zu einem Problem hochzustilisieren: Schweizer Werbung SW, Allianz gegen Werbeverbote, Forum freie Kommunikation und Aussenwerbung Schweiz. Alle vier haben sich hervorgetan durch wissenschaftlich und ökonomisch nicht haltbare Positionen, die in einem infantilen Agenda-Setting mit billiger und widersprüchlicher Propaganda gemündet haben. Weshalb vermeintliche Kommunikationsprofis so schlechte Arbeit leisten, ist nicht zu erklären. Carlo Schmid war bei den meisten an zentraler Stelle beteiligt.

Lauterkeitskommission

Die Lauterkeitskommission ist ein Schönwetter-Gremium, das dafür schaut, dass Reklamationen gegen unlautere oder anderswie störende Werbung rechtlich nicht verfolgt werden und dass die Werbeauftraggeber und Agenturen keine empfindlichen Bussen zu bezahlen haben. Sie ist eine reine Selbstregulierungsbehörde, die als Schutzschild dient. Sie verhindert damit auf mehr oder weniger subtile Weise, dass Konsumenten das Recht widerfährt, das ihnen zusteht. Wenn sie finanziell von der Werbebranche noch mehr unterstützt wird, wie Carlo Schmid dies wünscht, dann wird sie gesellschaftlich noch weniger relevant. Eine glaubwürdige Lauterkeitskommission braucht Unabhängigkeit – finanziell und ideologisch.

Ausbildung von Werbefachleuten

Was heute in allen Ausbildungen von Werbefachleuten fehlt, und das ist skandalös, sind Kurse in Wirtschafts- und Werbeethik und solche, die auf eine grundlegende Weise das Zusammenspiel von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft behandeln. Was ebenfalls fehlt, ist eine glaubwürdige Standesordnung, wie wir sie von Medizinern oder teilweise Informatikern kennen. Vernünftige Strukturen sind dafür von zentraler Bedeutung, aber sie lösen die Probleme nicht.

Carlo Schmids unbeholfene Propagandamaschinen haben bis heute nicht erkannt, dass es so etwas wie eine Gesellschaft gibt, dass die Wirtschaft sich von der Gesellschaft weitgehend abgelöst hat und nicht in der Lage ist, selbstregulierend geeignete Lösungen hervorzubringen. Die Branchenverbände in den vergangenen zwölf Jahren sind der beste Beleg dafür. Natürlich sind Verbote ein zweifelhaftes Mittel, Lösungen hervorzubringen, aber von Verboten spricht ja auch niemand ausser den Branchenverbänden.

Freuen wir uns, dass Carlo Schmid nicht mehr so oft mitmischt und blicken wir frohen Mutes in die Zukunft mit dem neuen SW-Präsidenten Filippo Lombardi, der in den Medien bestens verfilzt ist und nur wegen Urkundenfälschung und Verkehrsdelikten mehrfach verurteilt wurde. Mit CVP-Lombardi dürfte eine gewisse christlich-mehrfachmoralistische Kontinuität gewährleistet sein.

Dieser Beitrag von Christian Hänggi erschien ursprünglich auf dem Blog des Werbe- und Kommunikationsbranchenportals persoenlich.com.