Blog: APG und CCOP verwirken ihr Gastrecht in Genf

Das Genfer Baudepartement hat genug vom Rechtsstreit mit Clear Channel (CCOP) und APG und beantragt deshalb beim Stadtrat, ab 2011 auf Plakate auf öffentlichem Grund zu verzichten.

Werbewoche-Korrespondent Markus Knöpfli berichtet in der NZZ von heute: «Genf hat genug vom Kampf um Werbeplakate». Der Konzessionsvertrag für die Plakatbewirtschaftung des öffentlichen Grundes ist 2007 abgelaufen, doch CCOP, die sich benachteiligt fühlt, geht dreimal vor Bundesgericht, während die APG möglichst viel Sand ins Getriebe wirft, damit sich ihre Konzession stillschweigend um jeweils ein Jahr verlängert. Nun hat das Baudepartment genug und stellt dem Stadtrat den Antrag, ab 2011 auf Plakate auf öffentlichem Grund zu verzichten. Und das ausgerechnet in der Stadt, in der die APG 1900 gegründet wurde und bis heute ihren Hauptsitz hat.

In seinem Artikel entblösst Markus Knöpfli eine der hartnäckigsten Illusionen im Geschäft mit der Plakatwerbung, nämlich dass sie für die Städte eine willkommene Einnahmequelle darstellt. Gemäss dem Genfer Baudepartement gingen durch die Verzögerungstaktiken Einnahmen in Millionenhöhe verloren. Departementsekretär Rémy Pagani sagt: «Wir geben seit Jahren Unsummen für Gerichtskosten und Anwälte aus, das lässt sich vor den Steuerzahlern nicht mehr rechtfertigen.»

Wenn wir mit 500 Franken Werbeeinnahmen pro Plakat pro zwei Wochen Aushang rechnen – bezeichnen wir das mal als Marktwert –, ergibt das folgende Tabelle:

Plakatstellen auf
öffentlichem Grund
Marktwert Mio. CHF Einnahmen Mio. CHF CHF in % des Marktwerts Differenz Mio. CHF
Zürich 2100 27.3 2.2 8,1% 25.1
Bern 2000 26.0 1.5 5,5% 24.5
Luzern 250 3.3 1.0 30,8% 2.25

(Die Zahlen sind grobe Schätzungen, die sich bei differenzierter Betrachtung verändern dürften. Weiterführende Informationen sind im NZZ-Beitrag oder auf www.plakat-raum-gesellschaft.ch zu finden. Da es in der Schweiz zu viele Plakatwände gibt, wird selbstverständlich von den Plakatgesellschaften kein Erlös in der Höhe des Marktwerts realisiert.)

Die Aktionäre der APG und von Clear Channel, die mehrheitlich im Ausland sitzen, garnieren also den Löwenanteil der Einnahmen, während die Gastgeber-Städte weitgehend leer ausgehen. Auf Privatgrund verdienen die Städte keinen müden Rappen. Die einzigen Einnahmen ergeben sich aus den Bewilligungsverfahren, doch diese sind lediglich kostendeckend.

Das Aufbegehren in Genf ist das erste mir bekannte Beispiel der letzten Jahrzehnte, dass sich ein Schweizer Bauamt gegen die Vereinnahmung des öffentlichen Raums durch die Privatinteressen der vom Ausland kontrollierten Plakatgesellschaften zur Wehr setzt. Es erinnert an den Fall São Paulo, der durch die Weltpresse ging. Dort untersagte der Stadtrat jegliche Art von Aussenwerbung – aus Frust und Ohnmacht daraus, dass er dem Wildwuchs nicht anders begegnen konnte. Nun könnte es also sein, dass der Genfer Stadtrat den Plakatgesellschaften das Gastrecht entzieht, das zumindest die eine Plakatgesellschaft während 110 Jahre geniessen durften.
In meinem Buch über Gastfreundschaft und Werbung (S. 145) schreibe ich:

Der letztmögliche Moment des Bruches ist dort, wo die Nachhaltigkeit nicht mehr gewährleistet ist: der Wendepunkt, wo mehr extrahiert als zurückgegeben wird […] [Wir müssen] uns gewahr werden, wo eine Asymmetrie derart zunimmt, dass sie eigenes Momentum gewinnt. Wenn sie zuviel Momentum gewinnt, dann wird die Gegenbewegung umso heftiger ausfallen, um das, was unangemessenerweise extrahiert worden ist, wieder zu dissipieren. Oder die Gegenbewegung verfällt in Indifferenz und Resignation.

Aus vielen Gesprächen weiss ich, dass heute Indifferenz und Resignation herrscht, was die Präsenz von Aussenwerbung betrifft. Die Frage ist, wann das Fass überlaufen und eine Gegenbewegung hervorrufen wird, die mit dem Gastrecht Schluss macht. Dies könnte der Anfang sein.

Dieser Beitrag von Christian Hänggi erschien ursprünglich auf dem Blog des Werbe- und Kommunikationsbranchenportals persoenlich.com.